Baumgutachten: Gründe, Techniken und Maßnahmen
Bei einem Baumgutachten handelt es sich um eine eingehende Untersuchung der Stand- und Bruchsicherheit eines Baumes. Im eigenen Garten ist ein vitaler Baum nicht nur schön anzusehen, sondern vor allem verkehrssicher. Daher gehört die regelmäßige Baumkontrolle zu einer vorausschauenden Baumpflege dazu. Ob ein zusätzliches Baumgutachten notwendig ist, das weiterführende Informationen zur Verkehrssicherheit liefert, unterscheidet sich von Fall zu Fall.
Die Baumuntersuchung ist ein umfassendes Thema. Mit unserem Beitrag verschaffen wir Baumbesitzern einen Überblick zu den technischen Methoden, den pflegerischen Maßnahmen sowie den Gründen, die ein Gutachten für einen Baum erforderlich machen können.
- Unterscheidung zwischen Baumkontrolle und Baumgutachten
- Mögliche Gründe für eine eingehende Untersuchung
- Technische Methoden einer Baumuntersuchung
- Baumgutachten: Inhalte, Qualifikation und Kosten
- Baumpflege zur Widerherstellung der Verkehrssicherheit
Unterscheidung zwischen Baumkontrolle und Baumgutachten
Häufig werden die Begriffe „Baumkontrolle“ und „Baumgutachten“ fälschlicher Weise gleich gestellt. Tatsächlich sind dies zwei verschiedene Maßnahmen, die innerhalb der Baumpflege zum Einsatz kommen. Diese unterscheiden sich nicht nur im Umfang der Arbeiten und den angewandten Techniken, sondern auch in den Informationen, die sie den Baumbesitzern liefern. Eines haben sie gleich: Die fachliche Grundlage für Baumkontrollen und Baumgutachten stellen die Regelwerke der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL). Dies sind verbindlich festgelegte Richtlinien, die bei der Durchführung, Bewertung und anschließenden Dokumentation eingehalten werden.
Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass eine Baumkontrolle keine Messdaten zum inneren Zustand des Baumes liefert, da nur einfaches Werkzeug zum Einsatz kommt. Dabei kontrolliert ein FLL-zertifizierter Baumkontrolleur den Baum vom Boden aus auf Indizien, die auf eine beeinträchtigte Stand- und Bruchsicherheit des Baumes hindeuten. Beispielsweise Schadstellen, Krankheiten und Faulstellen, die mit bloßem Auge sichtbar sind. Deshalb wird sie auch „fachlich qualifizierte Inaugenscheinnahme“ genannt.
Wichtig: Bäume im eigenen Garten sollten regelmäßig kontrolliert werden, um der gesetzlichen Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und möglichen Schadfällen vorzubeugen. Für die langfristige Gesundheit und Standsicherheit ist ein Intervall von zweimal pro Jahr ratsam.
Ein Baumgutachten ist ein wesentlich aufwändigeres Verfahren. So schließt die Baumuntersuchung in der Regel an die einfache Sichtkontrolle an, sofern diese keine ausreichenden Auskünfte zur Stand- und Bruchsicherheit bieten konnte. Hier werden Techniken wie die Bohrwiderstandmessung oder Schalltomographie angewandt, um Informationen über das Gehölzinnere zu erhalten. Daher auch die Bezeichnung „eingehende Untersuchung“. Das Gutachten für einen Baum bestätigt entweder die Vermutungen der fachlich qualifizierten Inaugenscheinnahme oder widerlegt sie.
Aus den zusammengetragenen Ergebnissen der eingehenden Untersuchung werden erforderliche Maßnahmen in der Baumpflege abgeleitet. Kann die Verkehrssicherheit nicht wiederhergestellt werden, kann auch eine Baumfällung notwendig sein.
Gründe für eine eingehende Baumuntersuchung
Es gibt viele Gründe dafür, ein Gutachten für einen Baum erstellen zu lassen. Der erste und wichtigste ist die Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Anzeichen für kranke und beschädigte Bäume sind unter anderem:
- vermehrt absterbende Baumteile
- verfärbtes Laub oder fehlender Blattaustrieb
- Risse im Stamm oder in Starkästen
- deutlich erkennbare Fäulnis oder Pilzbefall
- Änderung der Stammneigung (z.B. nach Stürmen)
Auch, wenn der Baum weit entfernt von Verkehrswegen inmitten des Gartens steht, sollte man bei sichtbaren Mangelerscheinungen schnell handeln. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sollte die Stand- und Bruchsicherheit von einem Baumpfleger mit entsprechender Qualifizierung umgehend überprüft werden.
Gehölzwertgutachten: Nicht immer stehen Sicherheitsaspekte im Fokus. So ist ein weiterer Grund für ein Baumgutachten ist die Ermittlung des Gehölzwertes. Mit dem Gehölzwert kann die Schadenshöhe bei einer Beschädigung des Baumes durch Dritte berechnet werden.
Bauverträglichkeitsgutachten: Steht ein Bauvorhaben an, wird ein Bauverträglichkeitsgutachten durchgeführt. Dieses dient dem Baumschutz auf Baustellen und wird durch Präventivmaßnahmen (insbesondere dem Stamm- und Wurzelschutz) ergänzt, um mechanischen Schäden vorzubeugen.
Gerichtsgutachten: Steht ein Baum im Mittelpunkt eines Streitfalls zwischen Nachbarn, kann eine eingehende Untersuchung zur Klärung der Auseinandersetzung beitragen. Hierzu berufen Gerichte in der Regel Baumsachverständige, die öffentlich bestellt und vereidigt sind.
Sichtkontrolle als grundlegende Maßnahme
Wie bereits erwähnt, wird vor dem Baumgutachten eine Sichtkontrolle durchgeführt. Ihre Erkenntnisse dienen als erste Grundlage, um die weiteren Schritte zu planen. Dabei werden unter anderem die folgenden Aspekte untersucht und schriftlich festgehalten:
- Standort und Baumart
- Baumhöhe, Kronenbreite, Stammumfang
- Entwicklungsphase (Jugendphase, Reifephase, Alterungsphase)
- Sicherheitserwartung des Verkehrs (gering, hoch)
- Zustand für Verkehrssicherheit (gesund, leicht geschädigt, stärker geschädigt)
- Vitalität (nach Schadstufen 0 bis 4)
- verdächtige Umstände (Schäden, Pilzbefall, Ausbrüche, etc.)
Ist ein weiteres Vorgehen zur Feststellung der Stand- und Bruchsicherheit aufgrund der Ergebnisse der Baumkontrolle notwendig, folgt die eingehende Untersuchung mit technischen Hilfsmitteln.
Technische Methoden einer Baumuntersuchung
Reicht der geschulte Blick nicht aus, kommen spezielle Mess- und Prüfverfahren zum Einsatz. Oftmals werden verschiedene Techniken miteinander kombiniert, um ein möglichst umfassendes Bild zur Baumvitalität sowie der Stand- und Bruchsicherheit zu erhalten. Zu den am häufigsten angewandten Techniken für Baumgutachten zählen:
- Bohrwiderstandsmessung
- Schalltomographie
- Elektrische Widerstandsmessung
- Zugversuch
Bohrwiderstandsmessung: Die Bohrwiderstandsmessung gibt Auskunft über die Beschaffenheit und Dichte des Holzes. Als Messgerät dient dabei der sogenannte Resistograph. Der Resistograph wird zunächst an der zu untersuchenden Stelle am Baum angesetzt. Anschließend bohrt sich eine dünne Nadel in das Holz. Währenddessen misst der Resistograph die Antriebsleistung, die erforderlich ist, um die Nadel in das Holz zu bohren. Dieser Messwert wird in einem Kurvendiagramm festgehalten (Bohrwiderstandsprofil). Je höher die Antriebsleistung ist, desto dichter ist das Holz. Sinkt die Antriebsleistung entlang der Bohrtiefe, deutet dies auf einen Dichteverlust hin – sprich morsches und zersetztes Holz im Inneren des Baumes.
Schalltomographie: Eine weitere Methode für Baumgutachten, um mögliche Hohlräume, Fäule oder andere Schäden im Baumstamm zu entdecken, liefert die Schalltomographie (auch „Impulstomographie“). Während der Resistograph an einer Bohrstelle eingesetzt wird, messen Schalltomographen die Holzstruktur gleichzeitig an mehreren Punkten im Holzkörper. Dazu werden Sensoren auf gleicher Höhe rings um den Stamm angebracht. Mit einem kleinen Hammer werden nun Schallimpulse erzeugt, die von den Sensoren gemessen und in einem Tomogramm festgehalten werden. Bei gesundem Holz ist die Schallgeschwindigkeit hoch, bei defektem Holz niedrig.
Elektrische Widerstandsmessung: Die elektrische Widerstandsmessung ähnelt der Schalltomographie. Anstelle der Schallgeschwindigkeit werden elektrische Widerstände gemessen, die über Elektroden in das Holz eingespeist werden. Hier spielt die Leitfähigkeit des Holzes die entscheidende Rolle, die vom Feuchtegehalt, der Zellstruktur sowie der chemischen Zusammensetzung abhängt. Je höher die Feuchtigkeit, desto niedriger ist der Widerstand. Dies kann beispielsweise auf Faulstellen im Gehölzinneren hinweisen.
Zugversuch: Der Zugversuch dient bei Baumgutachten primär dazu, die Verankerung der Wurzeln im Boden – also die Standsicherheit – zu überprüfen. Auch die Bruchsicherheit lässt sich mit diesem Verfahren kontrollieren. Während es in der Praxis verschiedene Methoden gibt, wird generell ein Seil am Stamm befestigt. Anschließend wird die Windlast, die auf den Baum einwirken kann, simuliert. Dies geschieht, indem das Seil mittels Seilzug angespannt wird und so statische Kräfte auf den Baum überträgt. Ein Kraftmesser zeichnet die Zugkraft elektronisch auf, während zusätzliche Messgeräte am Stamm die Neigung, Dehnung und Stauchung des Holzkörpers festhalten. Aus den gesammelten Ergebnissen lässt sich eine Einschätzung der Standfestigkeit ableiten.
Baumgutachten: Inhalte, Qualifikation und Kosten
Während es kein einheitliches Formular gibt, werden Baumgutachten immer schriftlich dokumentiert und den Baumbesitzern übergeben. Zu den elementaren Informationen, die im Dokument festgehalten werden, zählen generell:
- Bestandserfassung mit baumbiologischen Grunddaten
- Fotos vom Baum und seinem Umfeld
- Angewandte Methoden mit Messdaten (grafisch)
- Beschreibung des festgestellten Schadbildes
- Erläuterung und Auswertung vom Baumgutachter
- Empfohlene Maßnahmen in der Baumpflege
Baumgutachten werden von berufserfahrenen Baumpflegern durchgeführt, die über eine entsprechende Zusatzqualifikation verfügen. Der erste Schritt ist die Fortbildung zu einem FLL-zertifizierten Baumkontrolleur. Über weiterführende Seminare erlangen sie das Fachwissen, um als Baumgutachter tätig sein zu dürfen. Das Gütesiegel als öffentlich bestellter und vereidigter Baumsachverständiger wird von staatlichen Instituten verliehen. In diesem Verfahren werden sowohl die persönliche Eignung als auch die besondere Sachkunde vor einem Fachgremium auf den Prüfstand gestellt.
Die Kosten für ein Baumgutachten liegen bei einem Stundensatz zwischen 60,- und 120,- Euro. Ein breites Preisspektrum, das auf vielfältigen Faktoren beruht. Darunter der Standort, die Anzahl der zu prüfenden Bäume, die persönliche Qualifikation der Gutachter sowie der Umfang der Arbeiten. Aufgrund des erhöhten Aufwands ist ein Gutachten für einen Baum durch einen zertifizierten Sachverständigen in der Regel teurer als eine Baumkontrolle.
Baumpflege zur Widerherstellung der Verkehrssicherheit
Selbst, wenn man sich um den eigenen Bestand im Garten fürsorglich kümmert, kann es zu Beeinträchtigungen der Stand- und Bruchsicherheit kommen. Wird bei der eingehenden Untersuchung festgestellt, dass die Verkehrssicherheit des Baumes unzureichend ist, müssen die Baumbesitzer die abgeleiteten Baumpflege-Maßnahmen ergreifen. Je nach Empfehlung im Baumgutachten kann es sich um folgende Arbeiten handeln:
- Allgemeine Kronenpflege (Baumschnitt)
- Einbau einer Kronensicherung
- Kronensicherungsschnitt
- Totholzbeseitigung
- Kappung
- Baumfällung
Bei geschützten Bäumen bedürfen radikale Schnittmaßnahmen wie die Kappung sowie Baumfällungen einer behördlichen Genehmigung. Ob ein Baum dem Baumschutz unterliegt, kann der örtlichen Baumschutzverordnung entnommen werden. Hier dient das Baumgutachten als Nachweis gegenüber den zuständigen Behörden, dass die genehmigungspflichtigen Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrssicherheit notwendig sind. Oftmals übernehmen die Baumsachverständigen die Antragsstellung.
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